Gestern erreichte uns die traurige Nachricht, dass der Dressurreiter, Olympia-, Welt- und Europameisterschaftsteilnehmer, Trainer sowie Reitmeister Wolfgang Müller im sächsischen Löbnitz nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 90 Jahren am 30. Dezember 2021 für immer eingeschlafen ist.

Anlässlich seines 90. Geburtstages hatte er am 6. Oktober noch im Kreise vieler Freunde, Verwandter und Bekannter im nach ihm benannten Martin & Wolfgang Müller-Reitstadion in Löbnitz gefeiert und die Glückwünsche zahlreicher Weggefährten entgegengenommen.

 

In tiefer Trauer und mit allerhöchstem Respekt sowie großer Dankbarkeit nehmen wir Abschied von dem Pferdemann besonderer Klasse und senden seiner Frau Ina Saalbach-Müller und der Familie unsere aufrichtige Anteilnahme!

 

Das Präsidium des Landesverbandes Pferdesport Sachsen e.V.
sowie die Mitarbeiter der Geschäftsstelle

 

 Foto: mit freundlicher Genemigung des Verlages Sachsen Pferde GmbH


GRATULATIONSTEXT anlässlich seines 90. Geburtstages
[ erschienen in PFERDE in Sachsen und Thüringen 12|2021 ]

Reitmeister Wolfgang Müller wurde 90
Eine Lebensgeschichte immer mit dem Herzen bei den Pferden

Am 6. Oktober 1931 wurde Wolfgang Müller in Lübbesee (Schlesien) geboren und wurde geprägt durch die Wirren des zweiten Weltkrieges und dem Neuanfang in Ostdeutschland, wo er durch seine sportlichen Erfolge bekannt und für seinen Pferdeverstand verehrt wurde.

Die ersten sechs Jahre verbrachte er an seinem Geburtsort und begeisterte sich schon mit zwei Jahren, so wurde es sich erzählt, für die Pferde, die in einer nahgelegenen Försterei standen. Wenn der See im Winter zugefroren war, holte Vater Müller, der Revierförster, ein Motorrad aus dem Schuppen und fuhr mit Mama und den Kindern Reinhard und Wolfgang, die hinten im Schlitten saßen, über den See zur Försterei. Das bereitete Klein-Wolfgang besonderen Spaß, aber die Pferde im dortigen Stall faszinierten ihn noch mehr.
Wie damals üblich, genoss er eine sehr stenge Erziehung. So sorgte sein Vater mit harter Hand dafür, dass Wolfgang sogenannte Dummenjungenstreiche, die teilweise auch gefährlich waren, nie zweimal machte. Während der Schulzeit fand Wolfgang immer wieder Wege Kontakt zu Pferden aufzunehmen und Zeit mit ihnen zu verbringen.
Die Kindheit endete kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges. Der Vater kam in Gefangenschaft und wurde bei einem Unfall tödlich verletzt. Die Familie musste das Haus, das nun in Polen stand, verlassen. Mutter, Wolfgang und seine vier Geschwister mussten alles zurücklassen, was nicht in den Handwagen ging. Im Kinderwagen saßen die 2-jährigen Zwillinge, um die sich die Mutter besonders sorgte. Die Not war so groß, dass die Mutter ihren kleinen Hund gegen Kartoffeln tauchte, um den Kindern das Überleben zu sichern.
Später arbeitete er als Knecht bei einem Bauern in der Altmark und hatte so wieder Kontakt zu Pferden und lernte empirisch Reiten.
Ab 1951 arbeitete Wolfgang Müller am Gestüt Halle-Kreuz und auf der Station Wallstawe, wurde 1957 Soldat und bekam professionelle Reitausbildung von damaligen Spitzenreitern. Es ging von nun an auch zu Turnieren.
1959 erfolgte der Umzug des Armeesportklubs nach Potsdam und Wolfgang Müller musste sich auf die Dressur spezialisieren. Damit begann seine Sammlung von DDR-Meistertiteln.
Bis zur Auflösung des Dressursportes 1973 beim ASK Potsdam konnte er auch mehrere internationale Erfolge erzielen. So nahm er an den Olympischen Spielen in Mexiko und in München teil, wo die DDR-Mannschaft den vierten und fünften Platz belegte. Bei der Weltmeisterschafte in Aachen erritt er die Bronzemedaille mit der Mannschaft und den achten Platz in der Einzelwertung. Zur Europameisterschaft in Wolfsburg wurde er Sechster und verhalf der Mannschaft zur Silbermedaille.

1973 folgte Wolfgang dem Angebot von Martin Müller und wurde in der LPG Löbnitz angestellt. Er hatte so die Möglichkeit „seine“ Potsdamer Pferde Szemafor ox und Marios xx mitzubringen. Dort wurde seine gute Arbeit als Einkäufer sehr geachtet und anerkannt. Später übernahm er die Abteilung Pferdezucht und -sport, die zu dieser Zeit 60 Pferde umfasste.

Durch Wolfgang Müller wurde Löbnitz zum „Dorf der Pferde“! Ob Stallungen, Geschirre und Pferde – alles war in seinen Händen bestens gepflegt und in Ordnung. Und nicht nur das.

Als engagierter und qualifizierter Ausbilder hat er sich einen großen Namen gemacht. All seine Kraft und Mühe setzt er ein, um den Pferdesport, vor allem in der Dressur, voran zu bringen. Unzählige Titel holten seine Schützlinge in den damaligen Bezirk Leipzig und später nach Sachsen.

Als erster der erfolgreichen DDR-Reiter wurde Wolfgang Müller 1999 der Titel „Reitmeister“  verliehen.

Neben seinen „persönlichen“ Schützlingen, die er stets zu erfolgreichen Dressurreitern ausbildete half er den Nachwuchsreitern in Sachsen bei vielen Lehrgängen.