Social License to operate – die gesellschaftliche Akzeptanz des Pferdesports
Der Pferdesport sieht sich schwierigen Zeiten gegenüber. Veränderter Medienkonsum, zunehmender Fokus auf das Tierwohl, die Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine und die Finanzkrise verunsichern die Pferdesportszene und führen dazu, dass sie ein großes Thema bewegt: Die „Social license to operate“, also die gesellschaftliche Akzeptanz des Pferdesports. Sie ist notwendig, um den Pferdesport zukunftsfähig zu halten.
Die „Social License to operate“ ist ein ungeschriebener Gesellschaftsvertrag zwischen der Öffentlichkeit und beispielsweise einer Organisation oder Sportart wie dem Pferdesport. Sie wird von der Öffentlichkeit erteilt oder entzogen. Entscheidende Faktoren dabei sind Vertrauen, Transparenz und Glaubwürdigkeit.
Die gesellschaftliche Akzeptanz ist bedroht, denn die Öffentlichkeit hinterfragt zunehmend, ob Pferde im Sport genutzt werden sollten und ob die Art und Weise, wie das aktuell geschieht, die richtige ist. Die Kritik wird lauter und durch neue Medien und Kanäle findet sie mehr Gehör.
Die gute Nachricht: Die gesellschaftliche Akzeptanz kann positiv beeinflusst werden. Der Pferdesport kann sie zurückerlangen und langfristig sichern, wenn er es schafft, der Gesellschaft glaubhaft zu vermitteln, dass Sport mit Pferden kompetent, transparent und mit Blick auf das Wohl des Pferdes betrieben wird.
Schon lange beschäftigt dieses Thema die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN), denn der FN als Bundesverband wird hierzu natürlich eine Führungsrolle zugesprochen.
2022 hat ein großer Workshop mit Vertretern aus unterschiedlichen Bereichen des Pferdesports stattgefunden, um zu überlegen: „Was können wir tun, um die Social License zu sichern?“. Die An
twort war klar: Das geht nur gemeinsam.
Die Zielrichtung: Raus aus der Defensive, aktiv werden, hinterfragen, erklären und verändern.
Die FN hat aus diesem Workshop eine Strategie erarbeitet, die das Vertrauen der Gesellschaft zurückgewinnen und langfristig sichern soll.
Ziel ist, die Branche für die Notwendigkeit von Veränderungen zu sensibilisieren, Aufbruchstimmung in der Pferdewelt zu erzeugen, die Glaubwürdigkeit des Sports und den Tierschutz zu verbessern, positive Bilder zu erzeugen und schlechte zu vermeiden, Kredit in der Gesellschaft aufzubauen und die Begeisterung für Pferde zu fördern.
Bis 2026 ist die Strategie zunächst angesetzt, sie wird ständig angepasst und weiterentwickelt. Sie besteht aus sechs Aktionsbereichen:
- Sensibilisierung: Ein gemeinsames Werteverständnis, Zusammenhalt in der Pferdewelt und das Bewusstsein für notwendige Veränderungen zu fördern sind die Ziele dieses Aktionsbereichs. Die FN plant dazu unter anderem hundert Workshops zum Thema Social License in ganz Deutschland.
- Nachhaltiger Zugang: Der Aktionsbereich zielt darauf ab, Kinder und Jugendliche für den Pferdesport zu begeistern und durch erlebnisreiche Begegnungen mit dem Pferd zu verhindern, dass der Pferdesport zu einer Nischensportart wird. Schulpferde sind ein wichtiger erster Anknüpfungspunkt, deshalb sollen im Rahmen des Leuchtturmprojekts „100 Schulpferde“ Reitschulen und Vereine dabei unterstützt werden, Schulpferde zu finden und zu finanzieren, um wieder mehr Kinder und Jugendliche mit dem Pferd in Kontakt zu bringen.
- Regeln und Kontrolle: Mit Hilfe der umfangreichen Regelwerke und Richtlinien schafft die FN den Rahmen für fairen Sport mit dem Partner Pferd. Die Regeln noch besser zu erklären und umzusetzen ist das Ziel dieses Aktionsbereichs. Dazu soll unter anderem das Leuchtturmprojekt „Fokus Vorbereitungsplatz“ beitragen, dass einerseits den „Kriterienkatalog Vorbereitungsplatz“ in den Mittelpunkt rückt, andererseits Turnierrichter unterstützen und fördern soll.
- Wissenschaft: Wissen und Fakten zum Lebewesen Pferd sowie neue wissenschaftliche Erkenntnisse sollen noch weiter in den Pferdesport einfließen. Dass Tierwohl und Pferdesport einhergehen, soll unter anderem das Leuchtturmprojekt “Tierschutztag” verdeutlichen.
- Spitzensport: Der Aktionsbereich strebt an, den Leistungsgedanken im Pferdesport positiv mit dem Tierschutzgedanken zu verbinden. Das Leuchtturmprojekt „Transparenz im Spitzensport“ soll durch die mediale Begleitung der Nationalmannschaften hinter den Kulissen zeigen, dass Spitzenleistungen und Tierwohl eng miteinander verbunden sind.
- Öffentlichkeitsarbeit und Werbung: Pferdesportler untereinander zu verbinden ist und die Bedeutung des Pferdes für die Gesellschaft aufzuzeigen ist das Ziel dieses Aktionsbereichs. Die Aktionen sind an unterschiedliche Zielgruppen gerichtet: Menschen innerhalb und außerhalb des Pferdesports. Zwei Drittel der Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, Pferdesportler zu erreichen und zu einen, um eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Weitere Aktionen sollen Menschen außerhalb des Sports erreichen und sie für das Thema Pferd begeistern. Mit dem Leuchtturmprojekt, einer großen Social-Media-Kampagne, soll eine Aufbruchsstimmung in der Pferdewelt erzeugt werden.
Neben den Leuchtturmprojekten werden innerhalb der sechs Bereiche bereits viele Einzel-Aktionen umgesetzt oder sind geplant. Die Leuchttürme und Aktionen sind nicht in Stein gemeißelt, sondern können sich entsprechend der Anforderungen und Ziele verändern.
Es wird am Ende nicht an einer einzigen Aktion liegen, das Vertrauen der Gesellschaft zu erlangen und zu sichern, sondern an der Gesamtheit aller Taten für ein positives Bild des Pferdesports.